Kommunalpolitische Leitfragen zum Einsatz der LuKIFG-Mittel
In Baden-Württemberg steht frühzeitig fest, wie die Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur auf die Kommunen verteilt werden. Spätestens jetzt werden allerorts die Diskussionen an Fahrt aufnehmen, wie die Mittel vor Ort konkret eingesetzt werden.
Natürlich werden die Investitionsmittel allein die aktuellen Kommunalfinanzrobleme (auch in Baden-Württemberg) nicht lösen. Das liegt schon allein daran, dass es keine Hilfen zur dauerhaften Aufstockung der Kommunalfinanzmittel sind. Zudem sind bei Investitionen Folekosten zu beachten. Gleichwohl können die Mittel einen Lösungsbeitrag darstellen – zumindest dann, wenn sie vor Ort clever und im Sinne des Gesetzesziels eingesetzt werden. Und dieses Gesetzesziel ist klar: Nach § 1 LuKIFG sollen die seitens des Bundes überlassenen Mittel mit dem Ziel der Behebung von Defiziten im Bereich der öffentlichen Infrastruktur UND der Schaffung von Wirtschaftswachstum eingesetzt werden (siehe zusätzlich auch Präambel der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern, die von nachhaltigem Wirtschaftswachstum spricht).
Zugegebenermaßen hätten sich manche Kommunen noch größere Freiheiten bei der Mittelverwendung gewünscht, im Vergleich zu vorangegangenen Förderungen sind die Freiheitsgrade in Bezug auf die Mittelverwendung nebst Nachweisen allerdings hoch. Das notwendige Spiegelbild der Freiheit war schon immer die Verantwortung. Diese Verantwortung liegt jetzt zum großen Teil bei den Kommunen und den dortigen Entscheidungsträgern. Das Land hat einen Großteil der Hausaufgaben im Kontext des Sondervermögens schneller als in anderen Ländern gemacht.
Jetzt gilt es die Verantwortung zu tragen. Dazu bedarf es gewiss keines Appells. Es liegt im originären Eigeninteresse der Kommunen die Mittel gesetzeszielkonform einzusetzen. In den vorausgegangenen Jahren haben gerade die baden-württembergischen Kommunen von einer im Ländervergleich guten Einnahmesituation profitiert. Bundesweit haben die baden-württembergischen Kommunen noch immer die höchsten bereinigten Pro-Kopf-Einnahmen und sie sind in der Top 3 bei den kommunalen Netto-Steuereinnahmen – im Unterschied zum Bundesdurchschnitt sind die Kommunalsteuereinnahmen in BW 2024 jedoch gesunken (Vgl. Gnädinger, Marc Kommunalfinanzbericht 2025, S. 5 ff.). Die vergleichsweise gute Einnahmesituation hat in der Vergangenheit jedoch stets geholfen, die aktuell im Ländervergleich zweithöchsten kommunalen Pro-Kopf-Ausgaben tragen zu können (Vgl. Gnädinger, Marc Kommunalfinanzbericht 2025, S. 10 ff.). Es gilt das Einnahme- und Steuerwachstum wieder anzukurbeln. Hintergrund: Aufgrund des gerade in BW ausbleibenden Einnahmewachstums bei den Kommunalsteuern in 2024 reichen aktuell die Einnahmen nicht aus, um mit dem (auch extern bedingten) großen Ausgabenplus Schritt zu halten.
Gnädinger, Marc: Kommunalfinanzbericht 2025
Basis der bisher vergleichsweise guten baden-württembergischen Einnahme- und gerade auch der Kommunalsteuersituation waren gute Wirtschaftsdaten. Und gerade auf das schnellstmögliche Anspringen des Wirtschaftswachstums sollen die LuKIFG-Mittel einzahlen. Dazu müssen sie gesetzeszielkonform in diesem Sinne vor Ort eingesetzt werden. Das sollte schon deshalb gelingen, damit künftighin die trotz aller Reformbedürftigkeit und aktuellen Bemühungen steigenden Ausgaben getragen werden können. Der Haushaltsausgleich ist keine freiwillige Leistung. Im Sinne finanzieller Generationengerechtigkeit und des Erhalts der stetigen Aufgabenerfüllung, mithin einer kraftvollen kommunalen Selbstverwaltung und -verantwortung, ist er notwendig.
Generationengerechtigkeit ist dabei insgesamt beim Einsatz des Sondervermögens ein zentrales Stichwort: Es darf nicht vergessen werden, dass das Programm komplett staatsschuldenfinanziert ist. Im Sinne Finanzieller Generationengerechtigkeit muss der „Return on Invest“ (hier im übertragenen Sinne und nicht nach strenger betriebswirtschaftlicher Abgrenzung gemeint) positiv sein – gerade im Hinblick auf die jüngere Generation, die einen Großteil der Lasten aus der damit verbundenen Staatsverschuldung tragen wird. Es muss insofern alles darangesetzt werden, mit den schuldenfinanzierten Investitionsmitteln Wachstum und damit verbunden kommunale Zusatzeinnahmen in Folgeperioden zu erzeugen.
Im diesem Sinne stellen sich kommunalpolitisch in den Vertretungskörperschaften letztlich vier Leitfragen zur Verwendung der Mittel aus dem Sondervermögen:
- Investitionsbedarfe in geförderten Bereichen ermitteln
Welche konkreten Investitionsbedarfe gibt es vor Ort in den seitens des Gesetzes geförderten Bereichen (siehe § 3 Abs 1. LuKIFG)? Und wo gibt es vor Ort in den geförderten Bereichen Defizite im Bereich dieser öffentlichen Infrastruktur?
2. Priorisierung der Bedarfe entlang ihres Beitrages zum Wirtschaftswachstum
Die unter Ziff. 01 ermittelten Investitionsbedarfe sind mit der Überlegung nach ihrem potentiellen Beitrag zum Gesetzesziel (Wirtschaftswachstum) zu priorisieren. Es geht insbesondere darum festzustellen, welche denkbare Investitionsofferte, welchen Effekt auf das Wirtschaftswachstumsziel hat.
Je mehr Kommunen gewichtige Mittel in Wirtschaftswachstum investieren, desto größer wird insgesamt der Wachstumseffekt. „Trittbrettfahrerveralten“, nach der Devise „sollen andere in Wachstum investieren, wovon man selbst sodann auch profitiert, aber selbst setzt man die Mittel anders ein“ ist dabei in kommunalem Eigeninteresse zu unterlassen. Hier gilt es, sich solidarisch zu zeigen – alle müssen das Ziel verfolgen, womit dann alle wiederum profitieren. Ansonsten wird das Wachstumsziel des Gesetzes nicht oder zumindest nicht im möglichen Ausmaß erreicht.
Welche Wachstumseffekte konkret von welchem kommunalen Produkt mitsamt der hierunter eingesetzten Investitionsmittel ausgehen, kann vor Ort am besten eingeschätzt werden. Wichtig ist, dass man sich der Wirkungskette bewusst ist. Kommunen mit einem praktizierten Nachhaltigkeitshaushalt (leider erst wenige) haben an dieser Stelle einen großen Vorteil. Ein aufgestellter Nachhaltigkeitshaushalt kann – sofern vorhanden – gut mit dieser Frage kombiniert werden. Der zweite Aspekt nachhaltiger Kommunalfinanzen betrifft die transformationsorientierte Mittelverwendung entlang der Trias aus Ökologie, Soziales und eben auch der Ökonomie, auf die Wachstumsförderung „einzahlt“. Schon bei Erarbeitung eines Nachhaltigkeitshaushaltes werden Wirkungszusammenhänge (welches Produkt mitsamt dort vorgesehener Investitionen „zahlen“ in welchem Umfang auf welchen Nachhaltigkeitsaspekt ein) identifiziert und offenbar. Kommunalpolitische Entscheidungen können sodann hieran anknüpfen.
3. Wirtschaftlichkeit der Investitionsalternativen berechnen und berücksichtigen
In der Regel gibt es nicht die eine Möglichkeit ein Investitionsprojekt anzugehen, sondern es gibt Alternativen in der Umsetzung. Im Lebenszyklus der Investition resultieren daraus unterschiedliche Folgen. Es gilt, die wirtschaftlichste Investitionsalternative auszumachen (§§ 6 HGrG, 77 Abs. 2 GemO BW, 12 GemHVO BW)
§ 6 HGrG: Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Kosten- und Leistungsrechnung
§ 12 Gemeindehaushaltsverordnung BW
4. Folgekosten berechnen und im Sinne des Haushaltsausgleiches einpreisen
Eine Investition, deren finanzielle Folgekosten nicht getragen werden können, ist kein Fortschritt – im Gegenteil: Nachrückende Generationen werden hiervon keinen dauerhaften Nutzen haben, die Folgen werden aber ihre Handlungsspielräume empfindlich einschränken.
Faustformel für Finanzielle Generationengerechtigkeit ist die Frage, ob der Ordentliche Ergebnisausgleich dauerhaft gelingt. Keine Generation soll mehr Ressourcen verbrauchen als sie erwirtschaftet. Es muss insofern berechnet werden, inwieweit die Folgekosten der Investition getragen werden können. Höchstwahrscheinlich werden zur dauerhaften Erreichung des Ordentlichen Ergebnisausgleiches in vielen Kommunen auch angesichts der aktuell schwierigen Kommunalfinanzsituation sicht- und spürbare eigene und über das bisherige Ausmaß hinausgehende Konsolidierungsmaßnahmen notwendig werden. Konsolidierungsmaßnahmen in diesem Sinne sind kein Selbstzweck, sie sind zum Erhalt einer dauerhaften stetigen Aufgabenerledigung und zum Erhalt Finanzieller Generationengerechtigkeit notwendig.
Weiterführende Literatur
