Haushalt

Doppische Finanzstatistik für Kommunen

Alle Kommunen in Baden-Württemberg und nahezu alle Kommunen in Deutschland (mit Ausnahme einiger Exoten in Bayern und Thüringen) rechnen doppisch – teilweise seit vielen Jahren. Eine Doppische Finanzstatistik erscheint insofern aus kommunaler Sicht als überfällig. Warum das (noch) nicht passiert ist? Der Großteil des öffentlichen Finanzvolumens (mit dem Haushalt des Bundes und der überwiegenden Mehrzahl der Bundesländer) bucht kameral. Der Widerspruch, dass Kommunen das doppische Haushaltsrecht als überlegen verkauft wird, einzelne Länder aber noch immer selbst kameral rechnen, soll hier nicht aufgegriffen werden. Aber für die Finanzstatistik ist die Frage des Haushalts- und Rechnungswesens relevant: In irgendeine Richtung müssen die Daten schlussendlich zwecks Vergleichbarkeit geschlüsselt werden, d.h. entweder die der Kameralen in doppische Daten oder – wie jetzt – umgekehrt die der doppisch buchenden Kommunen in kamerale Statistikdaten. Die Reformverweigerung auf Ebene des Bundes und der Mehrzahl der Bundesländer zahlen die Kommunen letztlich auch über den Umweg einer unzureichenden Finanzstatistik.

Zum Berichtsjahr 2025 soll nun zumindest für die Kommunen eine Doppische Jahresrechnungsstatistik eingeführt werden. Verkürzt oder besser vereinfachend wird im Kontext der Doppischen Jahresrechnungsstatistik von Doppischer Finanzstatistik gesprochen, was strenggenommen nicht korrekt ist. Es wird nämlich (zunächst) nur eine Doppische Jahresrechnungsstatistik geben, d.h. die am häufigsten in der Praxis wegen ihrer Aktualität genutzte Kassenstatistik bleibt kameral. Selbiges gilt für weitere Werke im Kontext der Öffentliche Finanzen und insbesondere auch der Kommunalfinanzen, z.B. bildet die Statistik über das Finanzvermögen weiterhin nicht das gesamte Vermögen ab. Nur der vergleichsweise kleine Teil des Finanzvermögens wird erhoben, nicht das gesamte Sachanlagevermögen usf. Die Schuldenstatistik erfasst weiterhin lediglich die Geldschulden und keine Rückstellungen etc. Löbliche Ausnahme ist die Statistik der Jahresabschlüsse der FEUs – sie funktioniert seit jeher nach kaufmännischer Logik.

Drei Dinge sind bemerkenswert: Zum einen wurden die kameral rechnenden Kommunen in Bayern und Thüringen aus den Meldepflichten zur Doppischen Jahresrechnungsstatistik herausgenommen: In beiden Ländern können die Kommunen wählen, ob sie die Doppik oder die Kameralistik nutzen wollen. Die klare Mehrheit hat sich dort für die Kameralistik entschieden. Es wird also vorerst nicht möglich sein auf Grundlage der Doppischen Jahresrechnungsstatistik Daten für die Gesamtheit der Kommunen in Deutschland zu erhalten. Das dürfte einen deutlich dämpfenden Effekt auf die Datennutzung, etwa durch Kommunale Spitzenverbände auf Bundesebene oder Forschungseinrichtungen u.a. Akteure, haben. Daneben ist es schwer vermittelbar, dass ausgerechnet diejenigen Länder, welche die IMK-Empfehlungen zur Doppik-Einführung aus 2003 (!) nicht vollumfänglich beachten, jetzt keine Daten an die neue Statistik melden müssen.

Innenministerkonferenz: IMK-Beschluss zur Doppik-Einführung vom 21. November 2003

Beschlussniederschrift über die 173. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 21. November 2003 in Jena

Zum zweiten ist die Einführung ab dem Berichtsjahr 2025 bedeutend. Für die Statistik werden jährlich Erhebungen durchgeführt. Die Erhebungen beginnen in 2026 mit den Daten der Jahresabschlüsse 2025. Die ersten bundesweiten Ergebnisse werden voraussichtlich ab 2027 in der Regionaldatenbank veröffentlicht. Je nach Bundesland sind die drei Erhebungsteile (Finanzrechnung, Ergebnisrechnung, Bilanz) zum selben Termin oder zu unterschiedlichen Terminen zu melden. Der Status wird miterhoben, will heißen der Stand des Jahresabschlusses, aus dem die gemeldeten Daten stammen (aufgestellter Jahresabschluss, geprüfter Jahresabschluss, beschlossener Jahresabschluss).

Drittens wird die neue Doppische Jahresrechnungsstatistik (zunächst temporär) im Parallelbetrieb eingeführt, d.h. die Kamerale Jahresrechnungsstatistik bleibt bestehen. Hier muss aus Akzeptanz- und Bürokratievermeidungsgründen dringend seitens der Erhebenden darauf geachtet werden, dass keine aufwendigen Doppelerhebungen stattfinden. Bestenfalls gehen die für die Kamerale Jahresrechnungsstatistik benötigten Daten in der Meldung für die Doppische Jahresrechnungsstatistik auf. Der Erhebungsteil Finanzrechnung der neuen Doppischen Jahresrechnungsstatistik entspricht inhaltlich der bisherigen Erhebung zur Jahresrechnungsstatistik. Die Berichtspflicht zum Erhebungsteil Finanzrechnung sollten insofern die Berichtspflicht zur Jahresrechnungsstatistik ersetzen.

Der Aufwand der doppisch rechnenden Kommunen im Zuge der neuen Meldepflichtausweitung (etwa IT-Programmanpassungen, Überleitungstabellen, jährliche Meldestränge) ist letztlich nur dann zu rechtfertigen, wenn der Nutzen der neuen Statistik deutlich wird: Nach dem Gesetzentwurf liegt der Hauptnutzen der Doppischen Jahresrechnungsstatistik in einem vollständigen Bild über die tatsächliche Finanz-, Vermögens-, und Ertragslage der kommunalen Körperschaften (Siehe Deutscher Bundestag, Drucksache 19/28165, S. 1 f.)

Deutscher Bundestag: Drucksache 19/28165 vom 31. März 2021

Für eine einzelne Kommune dürfte dieser Mehrwert zunächst überschaubar sein, schließlich hat sie die Informationen bereits aus ihrem eigenen Rechnungswesen.  Wertvoll werden die Daten dann, wenn sie übergreifend ausgewertet und interpretiert werden (z.B. auch Finanzausstattungsfragen, über den KFA etc.). Interkommunale Vergleiche (durch Kommunen, Kommunale Spitzenverbände, (Überörtliche) Prüfungseinrichtungen, Finanzaufsichtsbehörden, Wissenschaftseinrichtungen etc.) zwecks des Anstoßes eines Lernens vom Anderen aus amtlich geprüften Daten dürfte ein weiterer Aspekt sein.

Tatsächlich wird sich mit doppischen Statistikdaten besser feststellen lassen, wie es um die Finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen (in Baden-Württemberg) bestellt ist. Die Sicherstellung der Finanziellen Leistungsfähigkeit ist verfassungsrechtlich Ausfluss der in Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 71 Abs. 1 S. 1 LV festgehaltenen kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Die Selbstverwaltungsgarantie ist zwingend mit einem Anspruch auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung verbunden. Letztere lässt sich mit doppischen Daten wesentlich zielgenauer bestimmen als mit kameralen Informationen. So lässt sich beispielsweise mit dem Gelingen des Ordentlichen Ergebnisausgleiches ergründen, inwieweit mehr Ressourcen verbraucht als erwirtschaftet werden. Die Bilanz stellt das gesamte Vermögen der kompletten Verschuldung gegenüber. Derartige Betrachtungen sind der Analyse von kameralen Finanzierungssalden und Geldschulden- oder Finanzvermögensbeständen überlegen. Es wird darauf ankommen, die neuen Informationen zielführend einzusetzen, um den Nutzen der Datenerhebung zu rechtfertigen.

In die Zukunft gedacht, werden mindestens die zwei nachfolgenden Aspekte für die Akzeptanz der neuen Doppischen Jahresrechnungsstatistik bedeutend sein:

  • Das Kommunale Haushaltrecht auf Basis der Doppik unterscheidet sich zwischen den Flächenländern. Die dringend notwendige Harmonisierung in Kernbereichen wurde bislang nicht angegangen (Gliederung und Benennung der Komponenten, Vermögensbewertung usf.). Eine für alle Kommunen gültige Statistik muss sich auf ein einheitliches System der Datenveröffentlichung verständigen. Werden etwa auf Bundesebene einzelgemeindliche Doppik-Daten zu Kommunen in Baden-Württemberg veröffentlicht und unterscheiden sich diese am Ende in ihren Begriffen und Werten von denen der tatsächlichen Werte aus dem Haushalts- und Rechnungswesen der gleichen Kommunen wird das zwangsläufig zu kognitiven Dissonanzen führen, wenn Daten etwa durch Kommunalpolitik, Bürger, Presse oder andere Informationsintermediäre genutzt werden. Es wäre insofern zum Start ratsam, nur bundeslandweise einzelgemeindliche Daten aus der neuen Statistik zu veröffentlichen. Sie können dann auch begrifflich an das im jeweiligen Bundesland geltende Haushaltsrecht angepasst werden. Besonderheiten, wie beispielsweise der Begriff des Sonderergebnisses in Baden-Württemberg – die andere Länder so nicht kennen – können dann berücksichtigt werden. Unterschiede in Gliederung und Bewertung zwischen den von den Ländern vorgegebenem Haushaltsrecht müssen zwingend auf Bundesebene im Qualitätsbericht zur neuen Doppischen Jahresrechnungsstatistik genannt werden. Einen deutlichen Nutzungsschub dürfte eine bundesweite Statistik dann entfalten, wenn auch Bayern und Thüringen integriert werden.
  • Es wäre ratsam, schon jetzt in aller Deutlichkeit glaubhaft anzukündigen und sodann anzustreben, dass mit der neuen Doppischen Jahresrechnungsstatistik weitere Statistikerhebungen entfallen können, mithin Bürokratie abgebaut wird. Wofür braucht es beispielsweise eine eigene Erhebung für eine Finanzvermögensstatistik oder eine Schuldenstatistik? Die Daten können allesamt präzise und ausführlicher aus den kommunalen Bilanzen entnommen werden. Können hier heute noch nötige Mehrfacherhebungen entfallen, wäre das ein Entlastungseffekt für die Kommunen (Bürokratieabbau).

Weiterführende Literaturhinweise zum Thema

Statistisches Bundesamt (Olaf Seese): Nutzerkonferenz 2024 – Finanz- und Personalstatistiken – TOP 1: Die neue Statistik über die Jahresabschlüsse der doppisch buchenden Gemeinden, 29. Oktober 2024

Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Informationsseite zur Statistik der Jahresabschlüsse der doppisch buchenden kommunalen Kernhaushalte und deren doppisch buchenden Extrahaushalte und sonstigen FEU